Schnelle Entwicklung kundenspezifischer HP-Testinstrumente mit handelsüblichen Boards und Open-Source-Software

Von Steve Leibson

Zur Verfügung gestellt von Nordamerikanische Fachredakteure von DigiKey

Häufig ist es erforderlich, für Experimente oder für Produktionsprüfungen kundenspezifische Instrumentierungen zu entwickeln. Ein früher Ansatz waren Instrumente, die über GPIB/IEEE-488 mit einem Desktop-Computer oder einer Workstation verbunden und gesteuert wurden. Heutzutage arbeitet man eher mit modularen Ansätzen wie PXI- und PXI-Express-Racksystemen. Derartige Setups können jedoch immer noch teuer werden, insbesondere bei einmaligen Tests oder Stacks für den einmaligen Gebrauch.

Um die Entwicklungsdauer zu verkürzen und die Kosten für eine kundenspezifische Instrumentierung zu senken, sollten Entwickler stattdessen Einplatinen-Entwicklungsplattformen mit ausreichend integrierten Analog/Digital- (ADC) oder Digital/Analog-Wandlern (DAC) in Erwägung ziehen, die alle von einem eingebetteten Prozessor und dem zugehörigen FPGA gesteuert werden.

In diesem Artikel wird gezeigt, wie man mit einem System-on-Module (SoM) auf der Basis eines Prozessors und eines FPGA sowie mit den mitgelieferten Entwicklungswerkzeugen eine kundenspezifische Instrumentierung entwickelt. Bei diesem Ansatz zur Instrumentenentwicklung muss dank eines offenen Marktplatzes für Instrumentendesigns mit umfassender Community-Unterstützung keine Hardware entwickelt werden. Auf diese Weise erhält man ein kompaktes, kostengünstiges Werkzeug zur Entwicklung einer Vielzahl von Instrumentierungstypen.

Eine kurze Geschichte der Instrumentierungssysteme

Vor den 1950er-Jahren gab es ausschließlich analoge Instrumentierungen wie Voltmeter und Oszilloskope. Das begann sich zu ändern, als NLS (Non-Linear Systems) aus Del Mar, Kalifornien, im Jahr 1952 das erste digitale Voltmeter (DVM) entwickelte und hierfür Schrittschaltrelais und Präzisionswiderstände verwendete. Den Einstieg der Hewlett-Packard Company (HP) in die digitale Instrumentierung markierte ein Timer/Zähler, woraus sich rasch ein DVM mit einer zusätzlichen Dual-Slope-Integrationsschaltung entwickelte.

Da die DVMs von NLS und die digitale Testausrüstung von HP mit internen digitalen Displays ausgestattet waren, standen die Ergebnisse intern in binär codierter Dezimaldarstellung (BCD) zur Verfügung. Es war einfach, diese BCD-Signale über Anschlüsse auf der Rückseite der Instrumente nach außen zu führen. Anfangs wurden diese BCD-Signale an Drucker übermittelt, um die mit den Instrumenten gemessenen Werte aufzuzeichnen.

Des Weiteren konnten viele der in den 1950er-Jahren entstandenen digitalen Instrumente extern mit verschiedenen Messeinstellungen wie beispielsweise einem Messbereich programmiert werden. Die Programmierung erfolgte dabei über Anschlüsse auf der Rückseite, die mit Fernschaltern oder -relais und schlussendlich mit externen Logikschaltungen verbunden waren. Jedes Instrument hatte ein anderes Ausgabeformat und unterschiedliche Programmieranforderungen. Dies führte zu einer Situation, die hinsichtlich der Instrumentierungsautomatisierung mit dem Turmbau zu Babel vergleichbar war. Mit der Hinzunahme von Computern als Instrumenten-Controller in den 1960er-Jahren wurde das Problem noch komplexer, was hauptsächlich darauf zurückzuführen war, dass es für jedes Instrument einen eigenen und einzigartigen Schaltplan gab.

Aufgrund dieser Situation begann HP Mitte der 1960er-Jahre damit, über eine digitale Standardschnittstelle für Instrumente nachzudenken. Nach acht Jahren des Nachdenkens über das Problem und der Entwicklung einer Lösung präsentierten die Ingenieure von HP in der Oktoberausgabe 1972 des „HP Journal“ der Welt den HP Interface Bus (HPIB). Der HPIB löste die Entwicklung sogenannter „Rack-and-Stack“-Instrumentierungssysteme aus, in denen unterschiedliche Instrumente vieler verschiedener Anbieter miteinander sowie mit einem Instrumenten-Controller verbunden werden konnten. HPIB entwickelte sich letztendlich zu IEEE-488 und ist auch heute noch existent.

Anhand der HPIB-Systeme konnte die Branche zwar einiges über automatisierte Instrumentierungen lernen, aber die Testanforderungen waren für die Leistungsfähigkeit solcher Systeme schlichtweg zu hoch. Rack-and-Stack-Systeme bestanden hauptsächlich aus vorhandener Testausrüstung mit Bedienelementen auf der Frontblende. Diese Instrumente waren primär zur manuellen Verwendung als eigenständige Instrumente vorgesehen. Die Bedienelemente und Displays auf der Frontblende machten diese Instrumente teurer und die Annahmen bezüglich der erforderlichen Messgeschwindigkeiten für manuell gesteuerte Testausrüstung resultierten in eigenständigen Instrumenten, die für die Anforderungen vieler automatisierter Testsysteme nicht ausreichten.

Sobald vollständig digitalisierte Instrumente zur Verfügung standen, sorgte das mooresche Gesetz dafür, dass Testausrüstung sowohl schneller als auch kostengünstiger wurde. Beide Entwicklungen waren für die Durchführung automatisierter Tests von Vorteil und die teuren Frontblenden wurden überflüssig. Warum sollte man ein Instrument, das ständig von einem Computer gesteuert wird, mit einer Frontblende versehen?

Die Antwort auf diese Frage führte zum nächsten Schritt in der Evolution von Instrumentierungen: dem PXI-Bus, wobei „PXI“ für „PCI eXtensions for Instrumentation“ steht. Dieser PXI-Bus wurde 1997 eingeführt und basiert auf dem PCI-Schnittstellenstandard, der durch den PC allgegenwärtig ist. Das auf dem PCIe-Schnittstellenstandard basierende PXI Express folgte 2005. Sowohl PXI als auch PXI Express unterstützen sehr viel höhere Datenraten und bieten eine viel geringere Latenz als HPIB, wodurch die Entwicklung noch schnellerer Testsysteme ermöglicht wurde.

Ein PXI- oder PXI Express-Chassis stellt Strom, Kühlung und einen Kommunikationsbus für modulare Plug-in-Instrumente oder I/O-Module zur Verfügung, die alle entweder über einen Plug-in-Controller oder einen externen Computer gesteuert werden. PXI- und PXI-Express-Instrumentierungsmodule können mit diesen Chassis verbunden werden und auf ihren kleinen Frontblenden befinden sich ausschließlich Anschlüsse für Signaleingänge und -ausgänge. PXI- und PXI-Express-Systeme sind erheblich schneller und im Allgemeinen weniger kostspielig als Rack-and-Stack-Systeme, die per HPIB angeschlossen sind. Sie sind jedoch nach wie vor relativ teuer aufgrund ihrer guten Modularität, da selbige immer mit einem gewissen Preis verbunden ist.

Instrumentierungen schwimmen weiter auf der Welle des mooreschen Gesetzes

Der unablässige Fortschritt des mooreschen Gesetzes hatte eine kontinuierliche Veränderung von Instrumentierungen zur Folge. Ebenso wie ganze Platinensysteme zu kleinen SoCs und einer Handvoll Speicher- und Steuerchips geschrumpft sind, können auch ganze Instrumentierungssysteme entwickelt werden, die auf eine kleine Platine passen. Ein typisches Beispiel hierfür ist die offene Plattform Red Pitaya für Instrumentierungen, die Bestandteil des Red Pitaya STEMlab Starter Kit 125-14 von Trenz Electronic ist (Abbildung 1).

Bild: offene Plattform Red Pitaya für Instrumentierungen 27761

Abbildung 1: Die offene Plattform Red Pitaya für Instrumentierungen 27761 verfügt über mehrere analoge und digitale Ein- und Ausgänge, die zur Entwicklung kundenspezifischer Instrumentierungen verwendet werden können. (Bildquelle: Red Pitaya)

Das Board des Red Pitaya basiert auf einem Xilinx Zynq-Z-7010-SoC und verfügt über folgende Ein- und Ausgänge für Instrumentierungen:

  • Zwei schnelle analoge 14-Bit-Eingänge mit 125 MS/s
  • Zwei schnelle analoge 14-Bit-Ausgänge mit 125 MS/s
  • Vier langsame analoge 12-Bit-Eingänge mit 100 KS/s
  • Vier langsame analoge 12-Bit-Ausgänge mit 100 KS/s
  • 16 digitale I/O-Pins

Außerdem verfügt die Platine von Red Pitaya über einen 1-Gbit-Ethernet-Anschluss und einen USB-2.0-Anschluss. Der USB-Anschluss kann für einen Wi-Fi-Dongle sowie für den drahtlosen Betrieb verwendet werden.

Das Zynq-Z-7010-SoC ist mit zwei Arm®-Cortex®-A9-Prozessoren und einem FPGA-Fabric auf dem Chip ausgestattet. Die Prozessoren führen Softwareaufgaben aus wie etwa das integrierte Linux-Betriebssystem der Red Pitaya, und das FPGA fungiert als Echtzeitsteuerung und Schnittstelle für die On-Board-Peripheriegeräte. Dem FPGA und der CPU können die Entwickler nun die passendsten Signalverarbeitungsaufgaben zuweisen, um optimale Leistung zu erzielen. Das FPGA ist für extrem schnelle und harte Echtzeitaufgaben geeignet, wohingegen die CPUs bestens für die – wenngleich auch etwas langsamere – Ausführung beliebig komplexer Prozeduren geeignet sind. CPUs eignen sich darüber hinaus gut für die Ausführung von herkömmlichen Betriebssystemen wie Linux, interaktiven Benutzerschnittstellen und Web-Servern.

Das Kit 27761 beinhaltet eine SD-Karte für die aktuellste Red Pitaya-Software, ein Netzteil sowie ein Ethernet-Kabel. Die Software kann von der Website von Red Pitaya heruntergeladen werden. Sie stellt für die Platine von Red Pitaya ein Embedded-Linux-Betriebssystem und eine Web-Schnittstelle sowie für den Anfang vier Instrumentierungskonfigurationen zur Verfügung: ein Oszilloskop, einen Signalgenerator, einen Spektrumanalysator und einen Bode-Analysator.

Die Website von Red Pitaya fungiert als Master-Schnittstelle für den Betrieb der offenen Plattform Red Pitaya für Instrumentierungen. Von der Website können vorkonfigurierte Instrumente heruntergeladen und ausgeführt werden. Sie kann außerdem einen der Programmiermodi der Red Pitaya initiieren, inklusive des extrem benutzerfreundlichen Modus für Visual Programming, in dem per Drag-and-Drop von Symbolen grafisch ein Programm erstellt werden kann, das anschließend automatisch in die Programmiersprache Python übersetzt wird. Der aus dem Programmdiagramm erstellte Python-Code kann angezeigt werden.

Weitere Alternativen zur Programmierung der offenen Plattform Red Pitaya für Instrumentierungen sind Jupyter-Notebooks (basieren ebenfalls auf Python) und C. Entwickler, die ihre eigenen FPGA-Konfigurationen für die Red Pitaya entwickeln möchten, können die Xilinx Vivado Tool Suite verwenden.

Die Standardsoftware der Red Pitaya unterstützt außerdem SCPI (Standard Commands for Programmable Instruments, ausgesprochen „skippy“), ein Steuerprotokoll für Instrumentierungen, das ursprünglich als zusätzlicher Layer für IEEE-488 definiert worden war und als Steuerprotokoll für zahlreiche Instrumente vieler Anbieter aus der Branche verwendet wurde. SCPI ist unabhängig von der Hardwareschnittstelle und besteht lediglich aus ASCII-Strings. Verschiedene Programmieranwendungen für Instrumentierungen können die Red Pitaya über SCPI-Befehle steuern, inklusive MATLAB von MathWorks, LabVIEW von National Instruments, Scilab und Python.

Die Hardwareplattform Red Pitaya und die begleitenden Softwareentwicklungswerkzeuge bilden die Ausgangsbasis zur Entwicklung kostengünstiger und leistungsstarker Instrumentierungssysteme und über den Red Pitaya Marketplace können sich Gleichgesinnte austauschen, die Instrumentierungsanwendungen für die Plattform Red Pitaya entwickeln. Derzeit sind über den Marketplace neun Instrumentierungsanwendungen verfügbar:

  • PID-Regler (Proportional-Integral-Derivative-Regler)
  • Vektor-Netzwerkanalysator
  • Softwaredefiniertes Funkgerät
  • RadioBox, ein integrierter HF-Empfänger und -Sender
  • DSP Workbench zur Modellierung physischer Systeme
  • Frequenzganganalysator
  • Teslameter zur Messung von Magnetfeldern
  • Impedanzanalysator
  • Mehrkanaliger Pulshöhenanalysator

Weitere Instrumentierungsanwendungen, die von der Anwender-Community von Red Pitaya geschrieben wurden, sind im Red Pitaya Bazaar zu finden. Hierbei handelt es sich unter anderem um verschiedene Oszilloskope und Signalgeneratoren, einen Leistungsanalysator und einen Impedanzanalysator (Abbildung 2).

Bild: Aluminiumgehäuse der Red Pitaya

Abbildung 2: Das Aluminiumgehäuse der Red Pitaya schützt die Platine vor Beschädigungen und dient als Kühlkörper für das Zynq Z-7010-SoC. (Bildquelle: DigiKey)

Zubehör für die Red Pitaya:

Das Aluminiumgehäuse der Red Pitaya schützt die Platine vor Beschädigungen und dient als Kühlkörper für das Zynq Z-7010-SoC.

Das kalibrierte Diagnose-Kit von Trenz Electronic umfasst das Aluminiumgehäuse und zusätzlich den Wi-Fi-Dongle, ein Erweiterungsgehäuse für die digitalen I/O-Leitungen der Red Pitaya, Instrumentierungssonden, Kabel, Steckverbinder und Adapter für die verschiedenen Anschlüsse der Red Pitaya (Abbildung 3).

Bild: elektronisch kalibriertes Diagnose-Kit

Abbildung 3: Das elektronisch kalibrierte Diagnose-Kit enthält verschiedenes Zubehör für die Red Pitaya wie etwa Gehäuse, Kabel und einen Wi-Fi-Dongle. (Bildquelle: DigiKey)

Fazit

Instrumentierungssysteme sind sowohl kleiner und günstiger als auch leistungsfähiger geworden. Die Hinzunahme von Mikroprozessoren und schlussendlich von FPGAs ermöglicht die Entwicklung äußerst komplexer, kundenspezifischer Instrumentierungs- und Testsysteme zu relativ geringen Kosten.

Die über Trenz Electronic erhältliche offene Plattform Red Pitaya für Instrumentierungen ist ein Beispiel für den aktuellen Entwicklungsstand von Testsystemen. Sie verfügt über schnelle Analogeingänge und -ausgänge sowie über digitale I/O-Leitungen, die alle von zwei 32-Bit-Prozessoren und einem FPGA gesteuert werden. Selbige können über verschiedene Entwicklungswerkzeuge programmiert werden, die von benutzerfreundlichem Visual Programming über geläufigere Programmiersprachen wie C und Python bis hin zur Xilinx Vivado Tool Suite und zur FPGA-Programmierumgebung reichen.

 
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Über den Autor

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Steve Leibson

Steve Leibson war Systemingenieur für HP und Cadnetix, der Chefredakteur für EDN und Microprocessor Report, ein Tech-Blogger für Xilinx und Cadence (u.a.) und er diente als Technologieexperte für zwei Folgen von „The Next Wave with Leonard Nimoy“. Er hilft Entwicklern seit 33 Jahren, bessere, schnellere und zuverlässigere Systeme zu entwickeln.

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