Kein Hype weit und breit: SiC-MOSFETs sind völlig real

Wir leben in einer Welt voller Hype. Alle Arten von Waren und Dienstleistungen, selbst Kinofilme, Fernsehshows und praktische Apps, werden gnadenlos und unerbittlich beworben – oft schon, bevor sie überhaupt auf dem Markt sind. Die zentrale PR-Maschinerie von vor einigen Jahren hat sich mittlerweile aufgebläht und greift auch auf soziale Netzwerke, käufliche virale Postings, Produktplatzierungen usw. über.

Selbst die Elektronikindustrie, in der es traditionell wenig Hype gibt, ist auf den Zug aufgesprungen. Wenn Sie das nicht glauben, denken Sie nur an die CES (ursprünglich „Consumer Electronics Show“), auf der sich über hunderttausend Besucher und Hunderte von Unternehmen versammeln, um zu sehen und gesehen zu werden und möglichst selbst etwas zu dem Rausch beizutragen.

Das Geschäft mit dem Hype ist mittlerweile sogar so normal geworden, dass die Marktberatungsfirma Gartner jährlich ein Hype-Diagramm für neue Technologien veröffentlicht, das auf einer Standardvorlage beruht (Abbildung 1). Das Diagramm wird jedes Jahr aktualisiert, wobei neue Themen hinzukommen und die vorhandenen an eine andere Stelle des Hype-Zyklus rutschen (Abbildung 2). Natürlich kann jeder eine andere Auffassung davon haben, was in der Kurve enthalten und wo es positioniert sein sollte.

Abbildung 1: Die allgemeine Vorlage für den Hype-Zyklus lässt sich nutzen, um bildlich darzustellen, wo sich technologische Entwicklungen in ihrem Lebenszyklus zu befinden scheinen – vom Ausgangskonzept zur Akzeptanz und umfassenden Nutzung. (Bildquelle: Wikipedia)

Abbildung 2: Der „Hype-Zyklus 2018 für neue Technologien nach Gartner“(1) stellt eine Ansicht dar; er sollte uns alle jedoch dazu veranlassen, innezuhalten und die Versprechungen und Erwartungen gegenüber der Realität abzuwägen. (Bildquelle: Gartner)

Trotz des Hypes, den es mittlerweile um Unterhaltungselektronik gibt, haben wichtige Bereiche der Branche den großen Rummel weitgehend vermieden. So ist die jährlich stattfindende Applied Power Electronics Conference (APEC) zwar eine gut besuchte Veranstaltung, über die auch in den Medien berichtet wird, doch in Bezug auf den Hype ist sie das genaue Gegenteil der CES. Natürlich zeigen hier die Hersteller, was sie auf den Markt gebracht haben und was sie als Nächstes planen, doch die Ansprüche, die sie mit ihren Produkten verbinden, sind um mehrere Größenordnungen geringer als bei der CES. Ironischerweise werden die meisten Neuheiten auf der CES oft erst durch die Entwicklungen möglich, die auf der APEC vorgestellt werden.

Fortschritte im Bereich der Stromversorgung werden möglicherweise deshalb so zurückhaltend präsentiert, weil die Techniker, die sich mit Leistungsbauteilen und Stromversorgung beschäftigen, nicht so auffällig sind. Wer sich im Bereich der Leistungsbauteile bewegt, ist im Allgemeinen vorsichtig, konservativ (hinsichtlich des Designs) und nicht bereit, auf irgendeine radikal neue Technologie zu setzen, solange sie sich noch nicht in zahlreichen Maschinen und Geräten und über etliche Betriebsstunden bewährt hat. Dabei wissen diese Leute ganz genau, dass eine gute Stromversorgung, so unspektakulär sie sein mag, die Grundlage für ein solides Produkt ist. Probleme mit der Stromversorgung lassen sich in der Regel nicht nachträglich beheben, indem man ein Upgrade herunterlädt.

Denken Sie nur einmal an MOSFETs auf Siliciumcarbid-Basis (SiC), an denen jahrzehntelang geforscht wurde. Dabei gab es keine überzogenen Voraussagen, dass diese Technik die Leistung von Antrieben gegenüber dem Einsatz von reinen Silizium-MOSFETs revolutionieren würde. Stattdessen gab es einen vorsichtigen Optimismus, aber immer mit dem Hinweis, dass „erst noch mehr getan werden müsse“. In Wirklichkeit ist es jetzt so, dass die SiC-MOSFETS äußerst vielversprechend sind. Die Hersteller haben kontinuierlich technische Verbesserungen vorgenommen, sodass die Technologie im Bereich der Energieumwandlung mittlerweile große Zuwächse zu verzeichnen hat.

Wie groß ist der Markt für entsprechende Bauteile, und wie schnell wächst er? Die Antwort fällt natürlich unterschiedlich aus, je nachdem, wen man fragt. MarketWatch2 geht in einer Prognose davon aus, dass der Weltmarkt für SiC-Leistungselektronik zwischen 2018 und 2023 mit einer jährlichen Wachstumsrate von 35,73 % zulegt. (Unglaublich! Eine Prognose über einen Zeitraum von fünf Jahren mit einer auf zwei Nachkommastellen exakten Prozentangabe – das ist grotesk und trägt meines Erachtens nicht unbedingt zur Glaubwürdigkeit der Aussage bei.) In einer Prognose von Yole Developpement3 ist von einer Marktgröße von 461 Mio. US-Dollar im Jahr 2019 und einer jährlichen Wachstumsrate von „nur“ 31 % die Rede. An einer dritten Stelle wird erwartet, dass der Markt bis 2025 einen Umfang von 6,04 Mrd. US-Dollar erreicht und dabei jährlich um 15,7 % wächst.

Unabhängig davon, welche Zahlen Sie betrachten (und es gibt noch viele andere Prognosen), wird eins deutlich: SiC-basierte Komponenten gibt es bereits, und zwar in weitverbreiteten Ausführungen und zahlreichen Anwendungen, von Elektrofahrzeugen über Motorantriebe bis hin zu Subsystemen für alternative Energien. Das ist zu großen Teilen darauf zurückzuführen, dass die heutigen SiC-MOSFETs ausgereifte Komponenten der zweiten oder sogar dritten Generation sind.

So hat beispielsweise Cree seit der Einführung der ersten kommerziellen gepackten SiC-basierten MOSFETs im Jahr 2011 zwei weitere Generationen entwickelt. Bei den Bauteilen der dritten Generation wie dem Cree C3M0075120K (Tabelle 1), hat sich die Leistung in den wichtigsten Merkmalen um 20 % bis 100 % gesteigert, je nachdem, welche Parameter man betrachtet – das ist ein gewaltiger Zuwachs.

Tabelle 1: In den wichtigsten Leistungsmerkmalen des Cree C3M0075120K, einem Bauteil der dritten Generation, wird nur teilweise deutlich, welche technischen Fortschritte SiC-basierte MOSFETs gemacht haben. (Bildquelle: Cree)

Ebenso wichtig ist, dass die Hersteller, Anwendungstechniker und Konstrukteure mehr über die besonderen Eigenarten der Leistungsbauteile gelernt haben. Denn wenn wir einmal ehrlich sind: Bei MOSFETs aller Art sind alle möglichen Feinheiten zu beachten, wenn es um die Betriebsanforderungen, Besonderheiten beim An- und Ausschalten, die Wärmeentwicklung und Lasttopologie geht. Man würde es vielleicht nicht vermuten, doch für die Bauteile mit den drei Anschlüssen gibt es eine ungewöhnlich hohe Zahl an Datenblättern, in denen die jeweilige statische und dynamische Leistung bei Nominal- und Extremtemperaturen dargestellt ist; das bekannte SOAR-Diagramm ist nur eins davon.

Glücklicherweise gab es bei der Ankündigung der SiC-FETs nicht diesen Hype, den es um so viele andere Technologien gibt – das hätte auch nicht zu den Bauteilen gepasst. Können Sie sich, im Gegensatz dazu, daran erinnern, als vor einigen Jahren 3D-Fernsehen als die neueste große Errungenschaft angekündigt wurde? Entsprang diese Entwicklung dem tatsächlich Bedarf der Nutzer, oder ging es vielmehr um den Wunsch der Hersteller, die vorhandenen Fernseher durch etwas Neues abzulösen? (Sie kennen die Antwort!)

Wie sieht es mit Künstlicher Intelligenz (KI) aus, mit 5G, autonomen Fahrzeugen und Quantencomputern? Sie gehören sicher in das Hype-Diagramm, doch schon jetzt erscheint einiges nicht mehr ganz so brillant (offenbar kommt die Zeit für selbst fahrende Autos doch noch nicht so schnell, wie der Hype vermuten ließ – das sollte uns nicht unbedingt überraschen). Und wie sieht es mit den Journalisten aus, die zuversichtlich geschrieben haben, dass selbst fahrende Autos die Zahl der Unfälle und Verkehrstoten um einen ganz bestimmten Prozentsatz senken würden – welche Belege haben sie für diese Zahlen, wenn ich mal fragen darf?

Es ist gut, dass der Bereich der Leistungselektronik in unserer Branche bislang nicht diesen Weg gegangen ist, sondern auf stichhaltige Erkenntnisse setzt und neue Entwicklungen nur schrittweise bekannt gibt. Denn es ist doch ein beruhigender Gedanke: Ich möchte, dass die Stromversorgungskomponenten in meinen Geräten heiße Luft produzieren (wenn auch, zugegebenermaßen, so wenig wie möglich) und nicht nur heiße Luft versprechen. Und was noch besser ist: Ich habe die Hype-Diagramme nach Gartner aus den letzten zehn Jahren überprüft, und in keinem einzigen wird SiC erwähnt. Offenbar hat beim Austausch der Leistungskomponenten eine heimliche Revolution stattgefunden.

 

Einzelnachweise:

1 – 5 Trends Emerge in the Gartner Hype Cycle for Emerging Technologies

(https://www.gartner.com/smarterwithgartner/5-trends-emerge-in-gartner-hype-cycle-for-emerging-technologies-2018/)

2 – Global Silicon Carbide (SiC) Power Devices Market 2019-2023 | Industry Analysis of Semiconductor & Electronics sector by Region, Growth expected to reach at CAGR of 35.73%

(https://www.marketwatch.com/press-release/global-silicon-carbide-sic-power-devices-market-2019-2023industry-analysis-of-semiconductor-electronics-sector-by-region-growth-expected-to-reach-at-cagr-of-3573-2019-08-30)

3 – GaN and SiC power device: market overview (Dr. Milan Rosina)

(http://www1.semi.org/eu/sites/semi.org/files/events/presentations/02_Milan%20Rosina_Yole.pdf)

Über den Autor

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Bill Schweber ist ein Elektronikingenieur, der drei Lehrbücher über elektronische Kommunikationssysteme sowie Hunderte von Fachartikeln, Stellungnahmen und Produktbeschreibungen geschrieben hat. In früheren Funktionen arbeitete er als technischer Website-Manager für mehrere themenspezifische Websites für EE Times sowie als Executive Editor und Analog Editor bei EDN.

Bei Analog Devices, Inc. (einem führenden Anbieter von Analog- und Mischsignal-ICs) arbeitete Bill in der Marketingkommunikation (Öffentlichkeitsarbeit). Somit war er auf beiden Seiten des technischen PR-Bereichs tätig. Einerseits präsentierte er den Medien Produkte, Geschichten und Meldungen von Unternehmen und andererseits fungierte er als Empfänger derselben Art von Informationen.

Vor seinem Posten in der Marketingkommunikation bei Analog war Bill Mitherausgeber der renommierten Fachzeitschrift des Unternehmens und arbeitete auch in den Bereichen Produktmarketing und Anwendungstechnik. Zuvor arbeitete Bill bei Instron Corp. als Designer von Analog- und Leistungsschaltungen sowie von integrierten Steuerungen für Materialprüfmaschinen.

Er verfügt über einen MSEE (University of Massachusetts) und einen BSEE (Columbia University), ist ein registrierter Fachingenieur und hat eine Amateurfunklizenz für Fortgeschrittene. Darüber hinaus hat Bill Online-Kurse zu verschiedenen Themen geplant, verfasst und abgehalten, etwa zu MOSFET-Grundlagen, zur Auswahl von Analog/Digital-Wandlern und zur Ansteuerung von LEDs.

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