Ist das Magnetron im Mikrowellenherd bald überholt?

Man kann nahezu jeden Elektrotechniker (außer einem, der Antiquitäten sammelt) fragen, ob er Elektronenröhren in seinem Haus hat, und die Antwort wird sich höchstwahrscheinlich irgendwo zwischen „Du machst wohl Witze – natürlich“ und „Nicht seitdem ich meinen Röhrenfernseher entsorgt habe“ bewegen. Aber hier gilt es kurz innezuhalten: Wer einen Mikrowellenherd in seinem Zuhause hat, hat auch eine Elektronenröhre – nämlich das Magnetron.

Was ist ein Magnetron? Es ist die erste berühmte Elektronenröhre, zusammen mit der ersten Elektronenröhre mit Verstärkung, der von Lee De Forest im Jahr 1906 erfundenen Triode. Die physikalischen und elektromagnetischen Mechanismen des Magnetrons sind kompliziert: Das Magnetron arbeitet mit einem starken magnetischen Feld, das den Elektronenfluss in einem resonanten Hohlraum beeinflusst, und erzeugt so Dutzende oder Hunderte von Watt bei Frequenzen bis hinein in den Gigahertz-(GHz)-Bereich (Abbildung 1). Unter Literatur finden sich verschiedene Sichtweisen auf das Magnetron.

Das Magnetron wurde während des Zweiten Weltkriegs in England entwickelt und stellte ein gut gehütetes Geheimnis dar, war es doch von entscheidender Bedeutung für Radaranwendungen. Es war kompakt genug für Flugzeuge und konnte gleichzeitig bei der ausreichend hohen Frequenz von 500 Megahertz (MHz) arbeiten (damals eine unglaublich hohe Frequenz) und so eine sinnvolle Auflösung liefern.

Abbildung 1: Bei dem Magnetron handelt es sich um eine spezielle Elektronenröhre, welche die Interaktion von elektrischen und magnetischen Feldern in einem leitenden Hohlraum nutzt, um Mikrowellen bei relativ hohen Leistungen zu erzeugen. (Bildquelle: Hyperphysics/Georgia State University)

Mit der Entwicklung von Solid-State-Power-Amplifiers (SSPAs - Transistorverstärker), die bis in die GHz+-Bereiche des Spektrums vordringen können, wurde das Magnetron zusehends ein Fall fürs Museum – mit Ausnahme von Anwendungen mit Leistungen bei mehreren Kilowatt (kW) (aber auch hier domininieren die Transistorverstärker).

Dennoch gibt es noch einen Ort, an dem das Magnetron weiterlebt und sich großer Beliebtheit erfreut – als Herzstück der Mikrowelle im Consumer-Bereich sowie in vielen gewerblich genutzten Mikrowellenherden zum Backen und Trocknen. Wie ist das möglich?

Kurz gesagt: Das Magnetron arbeitet in diesem Einsatzbereich äußerst kosteneffizient als in Masse gefertigte, kostengünstige und massenmarkttaugliche HF-Quelle mit mehreren hundert Watt bei 2,45 GHz (Abbildung 2). Es ist sowohl ironisch als auch eine Demonstration der Macht der Massenfertigung, dass die einst hochgeheime Mikrowellen-Energiequelle des Zweiten Weltkriegs jetzt eine Massenmarkt-Komponente im Herzstück eines Herds ist, der für weniger als 100 $ bei einem Basismodell und für 500-1000 $ bei einem größeren und leistungsstärkeren Modell verkauft wird.

Abbildung 2: Dieses Magnetron von Panasonic plus dazugehörigem Wellenleiter ist eine integrierte Einheit, die 2,45 GHz in Mikrowellenherden im Consumer-Bereich erzeugt und verteilt. (Bildquelle: Encompass Supply Chain Solutions, Inc.)

Aber auch die Tage des Magnetrons in dieser Rolle könnten gezählt sein – vielleicht.

Die Hersteller von Solid-State-Power-Amplifiers (SSPAs) sehen hier ein starkes potenzielles Marktwachstum, und das nicht nur, weil diese Leistungsverstärker die Funktion des Magnetrons an dieser Stelle übernehmen können. Fakt ist, dass die magnetronbasierte Mikrowelle einige ernsthafte Schwachstellen besitzt, die umso deutlicher werden, wenn man sich mit der Thematik eingehender befasst.

Beispielsweise ist es schwer, die Ausgangsamplitude zu modulieren. Bei Einstellung der Mikrowelle auf mittlere Leistung wird das Magnetron pulswreitenmoduliert (PWM), um diese Leistung als Durchschnittsleistung bereitzustellen, aber der PWM-Zyklus ist recht lang – in einer Größenordnung von Dutzenden Sekunden – und damit für kürzere Erwärmungszeiten ineffektiv. Zudem gibt es Probleme damit, die HF-Ausgabe so auszurichten, dass der gesamte Herdraum vollständig und gleichmäßig bedient wird. Aus diesem Grund soll man während der Erwärmung auch den Vorgang kurz unterbrechen und das Essen umrühren, was die meisten Leute aber nicht machen. Selbst bei einem Drehteller, der bei vielen Mikrowellen vorhanden ist, gibt es heiße und kalte Stellen.

Dann lieber ein SSPA?

Wer meint, dass dies einfach nur eine qualitative Einschätzung der mittelmäßigen Leistung des magnetronbasierten Geräts sei, der werfe einen Blick auf die detaillierten Einschätzungen in dem Dokument „RF Solid State Cooking White Paper“ von Ampleon, einem führenden Befürworter des Einsatzes von SSPAs in Mikrowellenherden. Auch wenn Ampleon als Anbieter nicht unvoreingenommen sein mag, sind die technischen Details und Testbilder in dem Bericht beeindruckend und unmissverständlich.

Ampleon bietet SSPAs an, die sich gut für Standardmikrowellen eignen, wie beispielsweise der BLC2425M10LS500PZ (Abbildung 3). Dieser LDMOS-Leistungstransistor mit 500 Watt ist ungefähr 16 × 32 × 2 Millimeter (mm) groß und wurde für den Dauerstrichbetrieb (CW-Betrieb) von 2,4 bis 2,5 GHz entwickelt, womit er die in Consumer-Mikrowellen kritische Frequenz von 2,45 GHz abdeckt.

Abbildung 3: Der kompakte SSPA BLC2425M10LS500PZ kann kontinuierlich bis zu 500 Watt in dem Mikrowellen-Frequenzbereich von 2,4 bis 2,5 GHz liefern. (Bildquelle: Ampleon)

Warum 2,45 GHz? Hier sei für eine Antwort auf den Blog von Eric Bogatin „Why do Microwave Ovens Operate at 2.45 GHz?“ verwiesen. Und nein, es sind nicht 2,45 GHz, weil dies die Resonanzfrequenz von Wassermolekülen ist, was eine weit verbreitete Fehlannahme ist. Zu beachten ist, dass viele gewerblich genutzte Mikrowellen bei niedrigeren Frequenzen (und damit längeren Wellenlängen) wie 900 MHz arbeiten, um ihr größeres internes Fassungsvermögen effizienter zu bedienen.

Ein deutlicheres Bild in puncto Ausgangsleistung gegenüber der Frequenz beim SSPA BLC2425M10LS500PZ zeigt sich in Abbildung 4.

Abbildung 4: Leistungsverstärkung und Drain-Wirkungsgrad als Funktion der Ausgangsleistung; typische Werte für den LDMOS-Leistungstransistor BLC2425M10LS500P (Bildquelle: Ampleon)

Ampleon ist nicht der einzige Anbieter von HF-SSPAs, der das Potenzial dieses Marktes erkannt hat. MACOM Technology Solutions beispielsweise beschreibt die Chancen in seiner Mitteilung „How GaN is Transforming RF Energy and Cooking Applications“. Die Behauptung des Unternehmens, dass „gezeigt wurde, wie ein Steak auf einem Teller gegart werden kann, auf dem sich auch Eiscreme befindet und diese dabei nicht schmilzt“, hat definitiv meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen; gleichzeitig ist die Fähigkeit zur präzisen Steuerung des Energiepegels und der Verteilung ein ansprechender Vorteil. In der Mitteilung ist eine nützliche Tabelle enthalten, welche die Eigenschaften von magnetronbasierten Mikrowellen im Vergleich zu denen von leistungsverstärkerbasierten Mikrowellen zeigt (Tabelle 1).

Tabelle 1: Die wichtigsten Eigenschaften von SSPAs gegenüber Magnetronen bei 2,45 GHz. (Bildquelle: MACOM Technology Solutions)

Die technischen Vorteile sind recht klar im Hinblick auf den Steckdosenwirkungsgrad, die HF-Effizienz, die Steuerung der Ausgangsleistung und auch mit Blick auf die benötigte DC-Spannung (28 Volt gegenüber 4 kV). Außerdem spielt die Langzeitzuverlässigkeit eine Rolle, da Magnetrone sich als Elektronenröhren mit der Zeit verschlechtern und schließlich ausbrennen; bei einigen gewerblich genutzten Mikrowellen mit starker Beanspruchung werden auch tatsächlich die Magnetrone als Teil der standardmäßigen Wartungspraxis alle paar Wochen ausgetauscht. Natürlich umfasst ein SSPA-basiertes System mehr als den SSPA selbst, und das hat auch Auswirkungen auf die Kosten und andere Entwicklungsfaktoren (Abbildung 5).

Abbildung 5: Bei dem SSPA-basierten HF-Energie-Garsystem ist eine erhebliche Menge an unterstützenden Schaltkreisen zusätzlich zum Leistungsverstärker erforderlich. (Bildquelle: MACOM Technology Solutions)

Fazit

Wird also die SSPA-basierte Mikrowelle demnächst die magnetronenbasierte Mikrowelle im Consumer-Bereich ersetzen? Die höheren Kosten für das SSPA-System (für den Moment) sind sicherlich ein Problem, insbesondere da die Leute mit den Mikrowellen für 100 bis 500 $ mehr als zufrieden zu sein scheinen. Denn selbst wenn das Gerät nach ein paar Jahren „ausbrennt“ – in den meisten Haushalten werden Mikrowellen als Wegwerfartikel wahrgenommen, die zum Erwärmen von Essensresten und dem Zubereiten von Popcorn so gut genug sind.

Wahrscheinlich wird der erste große Durchbruch für SSPA-Geräte im gewerblichen Bereich erfolgen, wo die höhere Effizienz, die geringeren Betriebskosten und die längere Lebensdauer dieser Geräte die höheren Anschaffungskosten aufwiegen. Vielleicht wird es langfristig so wie bei den Autos laufen, wo die technischen Fortschritte zunächst bei den Premium-Modellen zu sehen waren und dann nach und nach auch bei Mittelklasse- und einfachen Wagenmodellen zur Anwendung kamen – schließlich waren Merkmale wie die Kraftstoffeinspritzung anstelle von Vergasern auch einmal auf Luxusautos beschränkt und sind mittlerweile bei allen Autos standardmäßig vorhanden.

Möglicherweise werden die Premium-Mikrowellenherde einmal ein Etikett auf ihrer Vorderseite mit dem Aufdruck „Mit Solid-State-Power-Amplifier“ tragen, ähnlich wie die ersten Solid-State-Radios mit „volltransistorisiert“ gekennzeichnet waren oder die spätere Generation der CD-Player, die dem Käufer (und dessen Freunden) mitteilten, dass sie „mit 1-Bit-DAW“ wären – nicht dass der Käufer gewusst hätte, was das war!

Literatur Magnetron

Über den Autor

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Bill Schweber ist ein Elektronikingenieur, der drei Lehrbücher über elektronische Kommunikationssysteme sowie Hunderte von Fachartikeln, Stellungnahmen und Produktbeschreibungen geschrieben hat. In früheren Funktionen arbeitete er als technischer Website-Manager für mehrere themenspezifische Websites für EE Times sowie als Executive Editor und Analog Editor bei EDN.

Bei Analog Devices, Inc. (einem führenden Anbieter von Analog- und Mischsignal-ICs) arbeitete Bill in der Marketingkommunikation (Öffentlichkeitsarbeit). Somit war er auf beiden Seiten des technischen PR-Bereichs tätig. Einerseits präsentierte er den Medien Produkte, Geschichten und Meldungen von Unternehmen und andererseits fungierte er als Empfänger derselben Art von Informationen.

Vor seinem Posten in der Marketingkommunikation bei Analog war Bill Mitherausgeber der renommierten Fachzeitschrift des Unternehmens und arbeitete auch in den Bereichen Produktmarketing und Anwendungstechnik. Zuvor arbeitete Bill bei Instron Corp. als Designer von Analog- und Leistungsschaltungen sowie von integrierten Steuerungen für Materialprüfmaschinen.

Er verfügt über einen MSEE (University of Massachusetts) und einen BSEE (Columbia University), ist ein registrierter Fachingenieur und hat eine Amateurfunklizenz für Fortgeschrittene. Darüber hinaus hat Bill Online-Kurse zu verschiedenen Themen geplant, verfasst und abgehalten, etwa zu MOSFET-Grundlagen, zur Auswahl von Analog/Digital-Wandlern und zur Ansteuerung von LEDs.

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